Relikt aus einer längst vergangenen Zeit: Ferien an der italienischen Adria

Unlängst fiel mir eine Urlaubsanzeige in einem der regelmäßig in den Briefkasten geworfenen Werbeblättchen eines Billig-Discounters auf, der doch tatsächlich neben Reisen in die Anden, Ägypten, Mallorca, Indien und auf das Basislager des Mount Everest eine Reise an die italienische Adria anbot. Kurzzeitig glaubte ich, ich sei wieder im Deutschland der 60er, 70er oder 80er Jahre gelandet. Welch eine Freude.

Schneller, weiter, höher… Pauschaltourismus

Es ist doch wirklich interessant, in welch ferne Destinationen der Welt die Menschen heutzutage reisen können. Und das auch noch für oftmals kleines Geld. Selbst auf das Basislager des Mount Everest können die Leute heute mit Billigdiscountern verreisen, gutes Schuhwerk und ein wenig Kondition vorausgesetzt. Verrückt oder? Dort oben liegen mittlerweile Müllberge und die Bergsteiger stehen zum Aufstieg auf den höchsten Gipfel der Welt mittlerweile Schlange. Greise Multimillionäre, die schon alles hatten im Leben und sonst nicht mehr wissen wohin mit ihrem Geld, lassen sich mit Sack und Pack von Sherpas und Bergführern mehr oder weniger auf den Gipfel ziehen, um sich später damit brüsten zu können, auf dem Mount Everest oder K2 gewesen zu sein. Auch Kreuzfahren auf riesigen Kreuzfahrtschiffen boomen schon seit etlichen Jahren und gerade jetzt wurde das größte Kreuzfahrtschiff der Welt, die „Icon oft he seas“ fertig gestellt, ein monströser Koloss, auf dem 7500 Passagiere und 2350 Besatzungsmitglieder Platz haben. Auf diesem Meeresungeheuer gibt es 20 Bars und Lounges, Aquadome, eine Eisarena, Casino, Discothek, sechs Riesenrutschen, eine Einkaufsstraße, Fitnesscenter, Sportplatz und noch vieles mehr, was das Urlauberherz heutzutage anscheinend begehrt. Nicht für alles Geld der Welt würde man mich auf solch einen schwimmenden Kommerz- und Vergnügungstempel bringen. Weder brauche ich all diese „Vergnügungen“, und schon erst recht nicht auf hoher See, noch könnte ich mir vorstellen mich mit all diesen Vergnügungssüchtigen und Animierten dort für nur eine Minute über ein interessantes und anspruchsvolles Gesprächsthema auszutauschen. Überhaupt habe ich die Animationen, die auch in vielen Hotelanlagen weltweit angeboten werden noch niemals verstanden. Warum brauchen Menschen eigentlich andauernd fremdbestimmte Unterhaltung? Warum können sie nicht einfach mal in Ruhe auf ihrem Liegestuhl am Strand oder meinetwegen am Pool liegen und ihren eigenen Gedanken nachhängen? Haben sie keine? Warum nicht mal ein Buch lesen, oder einfach Tagträumen und den Wellen lauschen? Warum müssen sie rund um die Uhr animiert und beschallt werden, diese Massenmenschen, die erst so richtig aufzublühen scheinen, wenn sie umgeben von Ihresgleichen sind, sei es am Ballermann auf Mallorca oder sonst wo? Natürlich ist auch immer massenhaft Alkohol im Spiel, damit man sich dann am Ballerman so richtig die Birne zuballert und die Sau raus lassen kann. Aber das ist ein anderes Thema.

Früher mondän heute Massenabfertigung

Die Urlaubsindustrie hat dem individuellen Reisen den Garaus gemacht. Heute kann jeder Hinz und Kunz für kleines Geld die halbe Welt bereisen. Es ist überhaupt nichts Besonderes mehr, auf der Karibik, in China, Afrika, Alaska oder in den Anden zu verweilen. Der Pauschaltourismus bringt uns an entfernteste Destinationen und dort kommen wir garantiert nicht in die Verlegenheit, uns auch nur eine Sekunde mit und selbst zu beschäftigen oder Land und Leute auf eigene Faust kennenzulernen. Im Grunde hält man sich den ganzen Tag in der Ferienanlage auf und wenn man nicht gerade am Pool sitzt, sitzt man dreimaltäglich im Speisesaal und futtert sich die Wanze dick. Die einzige Bewegung ist oftmals nur die Sport-Animation am Pool und der Gang zum Speisesaal. Diese All-inclusive-Mentalität hat sich seit etlichen Jahrzehnten etabliert und aus den einstmals Individual-Reisenden vergangener Zeiten konsumierende Herdentiere gemacht, denen es reicht, ihren Angehörigen früher eine Postkarte, heute eine whats-app-Nachricht mit vielen Urlaubsgrüßen und einem spektakulären Bild des tollen Swimmingpools oder wahlweise dem herrlichen Palmenstrand auf den Malediven zu schicken. Damit hat sich dann sie Sache.

Früher war das Reisen noch etwas Besonderes und man war begierig darauf ferne Länder, Menschen und Mentalitäten kennenzulernen. Heute ist das gar nicht mehr so nötig, da wir die fernen Mentalitäten jeden Tag überdeutlich in deutschen Innenstädten bewundern können. Aber auch das ist ein anderes Thema. Eine Schiffsreise früher war nur etwas für Gutbetuchte, die sich dann nobel auf der „Queen Mary“ von Southampton nach New York schippern ließen und allabendlich beim Galadiner ihre eleganten Abendkleider und den teuren Schmuck ausführten. Heutzutage kann man sich auf der Aida leger bekleidet, oftmals mit Shorts und T-Shirt an den Buffets bedienen. Stört keinen mehr. Wie das Vieh steht man dann in Schlangen vor dem Restaurant an und schlägt sich den Bauch voll, schließlich muss man das bezahlte Geld wieder herausholen. Soll sich ja rentieren.

Aber ich verurteile das nicht, auch wenn dieser Massentourismus nicht mein Ding ist. Als Kind fuhren meine Eltern oftmals mit mir nach Italien an die Riviera oder Adria und das waren auch oftmals Ferien am Strand in einem Hotel mit Halb- oder Vollpension. Jedoch ohne Animation. Wir unternahmen dann neben Strandtagen auch Ausflüge in umliegende Städte und Landschaften. Gerne denke ich an diese unbeschwerten Ferientage zurück.

Sehnsuchtsland Italien – Urlaub an der Adria

Den Urlaub verbrachten wir meist in Italien an der Adria oder auch an der Riviera, so wie viele andere Deutsche auch. Wir fuhren mit dem Auto über den Brenner oder den Gotthard-Pass und hatten Voll- oder Halbpension in einem Strandhotel in erster Reihe direkt am Meer gebucht. Dort verbrachten wir dann 14 glückliche Tage. Als Kind bekam ich im Urlaubsort erst mal eine bunte Strandgarnitur mit Eimerchen, Rechen, Förmchen, Sieb und Gießkanne gekauft. Die waren so schön bunt und hingen in dicken Trauben verpackt in Netzen an Stangen der Souvenirläden und waren für mich als Kind einfach unwiderstehlich. Dort gab es auch Schwimmflügelchen, Gummiboote und Schwimmreifen in bunten Farben. Meine Augen glänzten. Das Leben war schön! Und dann buddelte ich selig am Strand im warmen Sand. Manchmal war der Sand so heiß, dass man kaum barfuß in ihm laufen konnte. Mein Vater baute Sandburgen mit mir und kaufte meine Sandkuchen, die ich mit den Förmchen „gebacken“ hatte, während meine Mutter im Liegestuhl saß und sich bräunte. Ab und zu kam ein junger Italiener den Strand entlang gelaufen mit einem riesengroßen Korb in dem lauter aufgeschnittene Kokosnuss-Stücke lagen. Er rief laut immer wieder „Cocobello, Cocobello“ und wenn man ihm winkte, kam er und mein Vater kaufte jedem von uns ein Stück Kokosnuss. Mein Vater ging auch oft ins Meer schwimmen mit mir und manchmal schwommen wir raus bis zu den Wellenbrechern. Das war ein Abenteuer für mich, bis dorthin zu schwimmen. Gegen spät Nachmittags packte man dann seine Strandsachen zusammen und ging ins Hotel, um sich zu duschen und  für das Abendessen fertig zu machen. Dann gab es meist ein 3-Gänge-Menü, das man sich morgens beim Frühstück bereits ausgewählt und in eine Liste eingetragen hatte. Bald lernte man andere deutsche Gäste kennen, mit denen man sich anfreundete. Nach dem Abendessen ging es zum gemeinschaftlichen Spaziergang in Menschentrauben an die Strandpromenade. Die Strandwärter räumten die wild durcheinander liegenden Sonnenliegen auf und stellten sie wieder akkurat nebeneinander. Dann kämmten und rechten sie den Sandstrand liebevoll mit großen Rechen, so dass er bereit und jungfräulich war für den nächsten Strandtag. Und so glich jeder Tag dem Anderen. Die 14 Tage vergingen für mich meist wie im Flug und bald kam die traurige Heimreise in den verregneten und kühlen deutschen Sommer.

Die Urlaube damals waren noch überschaubar. Wenn es nicht ans Meer ging, dann ging es in die Berge. Meist nach Österreich. Dort war etwas weniger los als am Meer und für mich als junges Mädchen meist etwas langweilig. Aber doch war auch diese Bergwelt sehr schön und bis heute liebe ich die Berge über alles.

All das fiel mir ein, als ich diese Urlaubsanzeige an die italienische Adria sah. Für schlappe 169 Euro kann man für 5 Nächte im Doppelzimmer mit Halbpension und Strandservice (1 Schirm, 2 Liegen) sowie die Nutzung des Whirlpools einen Urlaub aus längst vergangener Zeit buchen. Fast habe ich Lust, diese heutzutage anachronistische Reise zu unternehmen, denn wer fährt heute noch an die schnöde Adria, und zu schauen, ob es noch so toll ist dort in Cesenatico, wie ich es früher als Kind empfunden habe?

Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
denn das Glück ist immer da.

Goethe

Ein Kommentar zu „Relikt aus einer längst vergangenen Zeit: Ferien an der italienischen Adria

  1. danke liebe Tamara und wieder spot on, wie der moderne Anglistik sagen würde. Also Deine Zeilen treffen bei mir wieder voll ins Herz. Auch ich sehe diese Entwicklungen im Tourismus mit grosser Sorge. Als da wäre: eine Boomer-Generation (die bis Jahrgang 1965), die demnächst in Rente gehen, die finanziell gut dastehen, ja das sind jene, die sich diese Kreuzfahrten und Fernreisen leisten können nebst abbezahlter Immobilie in Bestlage. Und ebenjene sind es leider auch, die schön auf „Demos gegen rächts“ gehen, die rot grün wählen, den Klimahoax und das Märchen vom bösen Russen glauben („der Fernseher hat gesagt“). Nur: diese Generation kapiert nicht, dass sie es sind, weil viele, die gegen das, was kommt aufstehen könnten: gegen Enteignung, Komplettüberwachung durch den Staat, gegen all diese Horror-Agenda. Nur: sie schlafen und haben nichts im Sinn ausser den nächsten Urlaub.

    ich selbst meide mittlerweile jede Form von Menschen (auch im Urlaub), bevorzuge einfachste Pensionen in den Bergen mit ÜF ohne Schnickschnack oder fahre nach Kroatien an die Adria, suche also bewusst das Einfache, Simple.
    Schon Blaise Pascal sagte: Alles Unglück der Menschen rührt daher, dass sie nicht still in einem Zimmer sitzen können.

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