Tod auf dem Nil 2022 – dem Zeitgeist geschuldet

Ein Beitrag von Jochen Maier

Ich bin ein Fan der Verfilmungen von Agatha Christie Romanen mit Hercule Poirot. Die Besetzung des belgischen Meisterdetektives mit Peter Ustinov ist ein Meilenstein der Filmgeschichte. Einer dieser Filme ist „Tod auf dem Nil“ von 1978, in dem Peter Ustinov erstmals Hercule Poirot spielte. Neben Ustinov glänzte dieser Film durch ein großes Aufgebot an internationalen Filmstars.

Neuverfilmung

2022 erschien eine Neuverfilmung in den Kinos mit Kenneth Branagh als Hercule Poirot und gleichzeitig als Regisseur. Zufällig sah ich einen Trailer dieses Films und war positiv von der Darstellung des Poirot überrascht. Daraufhin habe ich mir den Film angesehen.

Positive Aspekte

Und auch nach Betrachten des kompletten Films finde ich die Darstellung von Kenneth Branagh als Poirot sehr überzeugend und gelungen, auch wenn er etwas zu schlank daherkommt. Denn Poirot hat eine Vorliebe für Süßspeisen aller Art und insbesondere für Schokolade, was auch in der Neuverfilmung angedeutet wird. Gut gefallen haben mir auch die Bilder vom Nil, dem Kreuzfahrtschiff und den Sehenswürdigkeiten, wie den Pyramiden von Gizeh und dem Felsentempel von Abu Simbel. Obwohl manches sehr nach Computeranimation aussieht, ist es nach meinem Empfinden schön anzusehen.

Viele kleine und große Unterschiede zum Original

Leider lässt die weitere Besetzung zu wünschen übrig, bis auf den Arzt Dr. Linus Windlesham, gespielt von Russell Brand. In dem Roman und im Film heißt dieser Arzt Dr. Bessner, warum er hier einen anderen Namen erhält, erschließt sich mir nicht. Dies ist aber unerheblich.

Vor der eigentlichen Geschichte wird in der Neuverfilmung noch eine Episode von Poirot aus dem 1. Weltkrieg gezeigt, die meines Erachtens für die Geschichte ohne Bedeutung ist. Vielleicht muss für eine Neuverfilmung ein neuer Anfang gefunden werden oder der Film musste verlängert werden. Die Neuverfilmung ist inklusive dieser Vorgeschichte mit 128 Minuten noch 6 Minuten kürzer als der Film von 1978. Ich habe keine Ahnung, wozu dieser Teil dient.

Der Zeitgeist hält Einzug

Ärgerlich wird es aber dann, wenn der Zeitgeist durch Woko-Haram Einzug in den Film erhält, ohne dass dieses Framing für die Geschichte irgendeinen Wert hätte.

Da sind die Figuren Salome Otterbourne und ihre Tochter Rosalie. Mrs. Otterbourne ist in dem Roman und dem Film von 1978 eine exzentrische Autorin  erotischer Romane. Sie hat ein Motiv für den ersten Mord an Linnet, weil Linnet eine Verleumdungsklage gegen sie angestrengt hat. In dem Film von 2022 ist Mrs. Otterbourne eine Sängerin und Rosalie ihre Nichte, die wiederum eine Schulfreundin des ersten Opfers ist. Beide Figuren sind Schwarze und das Motiv ist ein rassistischer Vorfall in der Kindheit von Linnet und Rosalie. Ich bezweifle, dass in der gehobenen englischen Gesellschaft von 1937, Schwarze als Gleichgestellte dazugehört haben. Damit will ich die Ausgrenzung nicht gut heißen, aber die Zeit war früher eben anders. Und diese Ungleichheit wird durch Verzerrung der historischen Gegebenheiten nicht ungeschehen gemacht. Aber nach dem aktuellen Zeitgeist muss es wohl so dargestellt werden. Dann passt allerdings das rassistische Motiv nicht mehr ins Bild. Logische Fehler haben für die Anhänger der Woko-Haram-Sekte offensichtlich keine Relevanz.

Ein Inder spielt mit – die Logik bleibt auf der Strecke

Der Anwalt von Linnet, im Original der Amerikaner Andrew Pennington, wird 2022 zu dem Inder Andrew Katchadourian. Dieser muss am Ende der Kreuzfahrt die Rassismus-Karte ziehen, denn er sagt, dass er als Farbiger sofort verhaftet wird, wenn er eine Waffe bei sich hat. Diese Erklärung überzeugt sofort alle Anwesenden, die sich daher auch nicht wundern, dass mit seiner Waffe ein weiterer Mord begangen wurde. Dank seiner Erklärung ist er nicht weiter verdächtig. Dabei hat er vorher zugegeben, dass er den Stein in Abu Simbel auf Linnet gestürzt hat. Dies entspricht auch nicht dem Original, zeigt aber ein Mann, der als Mörder durchaus in Frage kommt.

Sexualkunde darf nicht fehlen

Was in einem Film des Jahres 2022 nicht fehlen darf, ist eine gleichgeschlechtliche Beziehung. Diese wird uns präsentiert durch die Figuren Marie van Schuyler und Miss Bowers. Im Original ist Marie van Schuyler eine reiche Amerikanerin und Miss Bowers ihre Krankenschwester. Im neuen Film sind es Partnerinnen und van Schuyler die Patentante von Linnet. Nachdem Poirot aufgrund der Eingebung des woken Zeitgeistes (oder warum auch immer) die beiden mit ihrer Homosexualität konfrontiert, küssen sie sich gleich vor der Kamera. Diese Szene hat für die Geschichte absolut keine Bedeutung und dient nur dazu, einen Kuss zwischen zwei Frauen im Großformat zu zeigen. Die Plumpheit dieser Szene ist nur noch zum fremdschämen.

Mir ist es völlig egal, welche sexuellen Präferenzen ein Mensch hat, jeder nach seiner Fasson. Warum ist dies in der heutigen Zeit immer ein Thema und muss den Zuschauer wenig subtil direkt anspringen?

Filmkritik?

Die Filmkritik hat an diesen Punkten aber nichts auszusetzen und ist überwiegend positiv. Allerdings gibt es Kritik daran, dass der Schauspieler Armie Hammer als Simon Doyle mitwirkt. Denn gegen diesen Schauspieler gibt es Missbrauchsvorwürfe. Es sind nur Vorwürfe, von einer Anklage oder Verurteilung ist mir nichts bekannt. Auch dies ist ein Zeichen des aktuellen Zeitgeistes. Mittlerweile genügen Vorwürfe, um einen Menschen zu ächten und sozial auszugrenzen.

Fazit

Wer gute Unterhaltung sucht und für zwei Stunden in eine andere Welt eintauchen möchte, um seine Sorgen zu vergessen, der sollte den Film von 1978 ansehen. Die Neuverfilmung von 2022 lohnt sich nicht.

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