Relikt aus einer vergangenen Zeit: Unbeschwertheit – oder: Kleine Hommage an Orte, die ich liebte

Mit Wehmut habe ich im Verlauf der letzten Jahre immer wieder über verlorene Dinge einer vergangenen Zeit geschrieben. Dinge, mit denen wir wie selbstverständlich aufgewachsen sind und die nicht wegzudenken waren aus unserem alltäglichen Leben. Eines der Dinge, die uns vor ziemlich genau einem Jahr genommen wurde ist die Unbeschwertheit.

Geile Zeit….es ist vorbei

Ich erinnere mich, als sei es eine halbe Ewigkeit her, dass ich manchmal samstags morgens voller Tatendrang und Enthusiasmus aus dem Bett sprang, die Sonne schien und ich mich auf einen unbeschwerten Stadtbummel in Frankfurt, Wiesbaden oder Darmstadt freute. Diese drei Städte waren meine Lieblingseinkaufs- und Bummel-Städte und jede Stadt hatte für sich ihren Reiz.

Frankfurt

An Frankfurt liebte ich den Erzeugermarkt auf der Konstablerwache, auf dem ich samstags liebend gern die beste Bauernbratwurst Frankfurts, der einzigen mit „Geld zurück Garantie“, aß und dazu einen Apfelwein trank. Manchmal aß ich aber auch Hessens Nationalgericht, den Handkäs mit Musik. Dann saßen wir in herrlichstem Sonnenschein an Biertischgarnituren umgeben von Tausenden von Menschen auf dem beliebten und belebten Platz. Der Schall der unterirdisch donnernden S-und U-Bahnen, die im Minutentakt die Frankfurter Innenstadt durchfuhren, drang zu uns hoch und große Schlünde im Asphalt spuckten lavaähnlich Menschenmassen im Sekundentrakt aus den unterirdischen Katakomben auf Roll- und normalen Treppen ins Freie. Es war ein quirliges Kommen und Gehen. An den Gemüse-, Obst-, und sonstigen Marktständen standen Leute in langen Schlangen, an den Apfelweinständen standen sie in Trauben um kleine Stehtische herum und ließen sich ihre Süß- oder Sauergespritzen Apfelweine gut munden. Diesen dichtbevölkerten Platz, die unbeschwerten und gutgelaunten Menschen auf ihm werde ich niemals vergessen. Es wird heute nicht mehr so sein.

Darmstadt

In Darmstadt war ich auch immer gern. Dort gab es neben einem schönen, privat geführten Modehaus auch ein super gemütliches Wiener Caféhaus, das „K & K“ in dem ich viele vergnügliche Stunden bei einer Wiener Melange, Kaiserschmarren oder Marillenknödel mit Schlagobers verbrachte. Auch dieses Café war immer gerammelt voll. Er war der Anziehungspunkt in der Darmstädter Innenstadt und einen freien Platz in diesem Caféhaus zu ergattern war nicht einfach an einem sonnigen Samstagvormittag. Zu anheimelnd gemütlich war es, dort inmitten von vielen Menschen zu sitzen und sich sein Frühstück oder Brunch schmecken zu lassen und dabei die zahlreich vorübergehenden, schlendernden Passanten zu beobachten. Innen saß man auf roten Plüschsesseln unter Jugendstillampen in gedämpftem Licht und keine 50 cm neben, vor und hinter einem saßen andere Caféhausbesucher, bei deren Gesprächen man oftmals unfreiwillig Zeuge wurde. Ich gebe zu: Manchmal störte es mich auch. Aber jetzt, im Nachhinein wünschte ich mir diese Zeit wieder zurück, in der so etwas möglich war. Einfach unbeschwert in der Nähe meiner Mitmenschen sitzen, ohne Angst oder Argwohn.

Wiesbaden

Auch der Hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden stattete ich liebend gerne einen Besuch ab. Durch imposante Prachtstraßen mit prächtigen Gründerzeit-Hausfassaden schlenderte ich am großen Kurpark mit mondänem Spielcasino vorbei, um mir schließlich im „Maldaner 1859“, ebenfalls ein Wiener Caféhaus, die eine oder andere Wiener Köstlichkeit schmecken zu lassen. Auch dieses „Wohnzimmer der Stadt Wiesbaden“ war meistens brechend voll und man durfte keine Berührungsängste mit anderen Menschen haben, wenn man sich entschied, hier einzukehren. Tja, das war einmal. Heute ist es geschlossen und wenn es überhaupt wieder öffnen darf, dann wird es nicht mehr so sein, wie es einmal war und wie die meisten Menschen dieses Caféhaus liebten: Lebendig und quirlig. Haltelinien sowie Ver- und Gebotshinweise werden das edle Interieur verunstalten, Plexiglaswände am Tresen schaffen unnahbare Distanz zum Personal und dumpfe, teigige Stimmen von bemundschutzten Menschen tun ihr übriges dazu, dass man hier nicht mehr verweilen mag. Der einstige Charme und die Lebendigkeit dieses besonderen Kleinods wurde erbarmungslos mit der virushemmenden Hygiene-Decke der Vorschriften erstickt. Die Unbeschwertheit war Teil des Vergnügens und der ausgelassenen Heiterkeit. Ohne sie macht alles keinen Spaß mehr.

Die erträgliche Leichtigkeit des Seins…

Diese Unbeschwertheit, einfach spontan irgendwo hinzugehen, sich mit vielen anderen Menschen dicht gedrängt an einem Ort niederzulassen, ausgelassen und unbelastet beisammen zu sein, ohne Angst vor Ansteckung mit einem bösen Virus, ohne Angst, mit anderen Menschen in Berührung zu kommen, diese Unbeschwertheit hat man uns genommen. Jetzt ist alles schwer und mühsam geworden. Die Leichtigkeit des Seins ist nun einer bleiernen Schwere gewichen. Nicht, dass früher alles immer leicht und licht war. Aber es gab sie, diese unbeschwerten Momente, in denen wir das Leben liebten und in denen wir es liebten zu leben.

Es ist vorbei
Du willst hier weg
Du willst hier raus
Du willst die Zeit zurück
Du atmest ein
Du atmest aus
Doch nichts verändert sich

Es war ´ne geile Zeit…..

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2 Kommentare zu „Relikt aus einer vergangenen Zeit: Unbeschwertheit – oder: Kleine Hommage an Orte, die ich liebte

  1. Das ist schön geschrieben. Am liebsten will ich mehr erfahren. Wer war dabei, in den Stuben, auf den Gassen. Was ist dann passiert☺️, vielen Dank für die Erinnerungen.

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