Vor ein paar Tagen sah ich einen Film, den mir ein Freund schenkte und der mich wirklich stark beeindruckt hat. Mit diesem Freund teile ich meine Liebe zu den Bergen und auch zum Bergsteigen. Die Bergwelt fasziniert mich schon lange und auch die Bergsteiger bewundere ich für ihren Mut, die teilweise gefährlichen Berggipfel zu erklimmen.
In diesem Dokumentarfilm „Free Solo“ geht es um Alex Honnold, einen bekannten Frei-Kletterer, der die Route „Freerider“ am El Capitan im Yosemite Valley (USA) im Jahr 2017 ganz ohne Seil und Sicherung begehen wollte.
In diesem außerordentlich interessanten und packenden Dokumentarfilm geht es um das Leben dieses Free-Solo-Kletterers Alex Honnold und wie er sich auf die Tour seines Lebens minutiös vorbereitet. Es kommen auch Kletter-Kollegen sowie Leute des Kamera-Teams, das ihn bei dieser lebensgefährlichen Höllentour filmen würde sowie seine Freundin vor. Fesselnd und beeindruckend sind die Gespräche und man versucht zu ergründen, warum einer so etwas tut. Warum setzt jemand sein Leben aufs Spiel? Die Chance, dort oben auf dem El Capitan heil anzukommen, ist äußerst gering. Es ist eine fast senkrechte, glatte Wand, die Alex Honnold dort hinaufklettern will. Ohne Sicherung, ohne Seil, ohne Hilfsmittel. Ein falscher Handgriff bedeutet seinen sicheren Tod. Der Tod ist einkalkuliert in diesem wahnwitzigen Unternehmen. Und trotzdem möchte er diese Wand erklimmen. Selbst für seine Freundin verzichtet er nicht auf dieses – vielleicht sein letztes – Abenteuer. Es ist sein lang gehegter Traum und nichts kann ihn davon abbringen. Unglaublich.
Während der ganzen Dokumentation, gespickt mit atemberaubenden Bildern, wird eine Spannung erzeugt, die kaum auszuhalten ist und der man sich nicht entziehen kann. Während sich die Spannung fast bis ins Unerträgliche steigert, bewegt mich gleichzeitig immerzu die Frage: Warum tut er das? Hat er keine Angst? Ich bekam immer mehr ein beklemmendes Gefühl und wagte kaum noch, den Film bis zum Ende zu sehen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem er diese Wand ohne Absicherung und Hilfsmittel, wie Haken etc. bezwingen will. Was, wenn dieser sympathische Mann in den Tod stürzt und man das live sieht? Diese Frage bewegt auch die Kameraleute, die ihn ja filmen sollen während seines Aufstiegs.
Sechs Wochen lang bereitet sich Alex für diese Route am El Capitan vor. Er notiert die einzelnen Schritte dieser Route in einem Heft und prägt sich diese ein. Während der Übung mit Seil und Absicherung stürzt er. Es ist an einer der heikelsten Stellen in der Wand – „Boulder Problem“ genannt – , die er überwinden muss, an der er sich von einem kleinen Felsvorsprung abschwingt – frei in der Luft – in schwindelerregender Höhe – um einen Meter weiter den anderen, winzig kleinen Felsvorsprung mit seinen Fingern greifen zu können. Anders kommt er nicht hinüber an diese Stelle, als durch diesen kleinen Sprung, um die Route nach oben fortzusetzen. Er schafft es nicht – greift daneben – stürzt ab. Zum Glück mit Absicherung. Dieses Mal ist er davon gekommen. Er hängt am Seil über dem Abgrund und lacht noch dabei. Ein Verrückter. Man fragt sich ungläubig, wie er das beim nächsten Mal schaffen will. Das ist nicht möglich! Es ist ein aberwitziges Unterfangen. Er wird sterben. Zwischenzeitlich bin ich wütend geworden. Kann nicht verstehen, wie er das seiner Freundin antun kann. Und seinem kleinen Kind. Wie kann man nur so leichtfertig und verantwortungslos mit seinem Leben umgehen? Dieser fanatische, elende Sturkopf. Warum tut er das? Wohlwissend, dass es wahrscheinlicher ist, dass er es nicht schafft als dass er es schafft. Alex scheint keine Angst zu haben. Anders ist es auch nicht möglich, so etwas zu tun. Dies sagt er auch ganz klar. Mit Angst würde er nicht klettern können. Jeder Andere würde sterben vor Angst. Aber Alex hat keine Angst. Wie ist das möglich?
Warum hat er keine Angst?
Alex Honnold lässt sich während der Vorbereitung an seinem Gehirn untersuchen. Und jetzt wird es sehr interessant. Man stellt fest, dass bei ihm in der Amygdala deutlich weniger Aktivität stattfindet als bei den meisten anderen Menschen. „Die Amygdala ist ein paariges Gebiet im Gehirn, im medialen Teil des jeweiligen Temporallappens und ist Teil des Limbischen Systems.“ (aus wikipedia) Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Gefahrenerkennung und ist wichtig für die Empfindung von Angst und Furcht.
Aha, denkt man sich jetzt und versteht ein wenig besser. Daher weht also der Wind. Alex kann Angst nicht so empfinden, wie es den allermeisten Menschen möglich ist. Zumindest ist es eine Erklärung und man ist fast ein wenig erleichtert. Dies hält jedoch nicht lange an. Nicht mehr lang und es geht los. Ein letzter Abschied von seiner Freundin. Er bittet sie, wegzufahren und sich das nicht live mit anzusehen. Weinend fährt sie davon. War dies der Abschied für immer? Auch die Kameraleute sehen bedrückt aus. Sie haben alle Angst, es steht in ihren Gesichtern geschrieben. Die schwierigste Aufgabe ihres Lebens steht ihnen bevor. Dies alles zu filmen. Noch eine letzte Zigarette, bevor es los geht.
Der Aufstieg
Und dann, ganz früh am Morgen geht es los. Man sieht Alex vor diesem Koloss stehen, dem übermächtigen und wunderschönen Felsmonolithen El Capitan. Ganz klein wirkt Alex, wie er zu diesem, seinem Lebenstraumberg hinaufsieht. Und dann klettert er los. Leicht und federnd bezwingt dieser schmächtige, drahtige Mann, der nur aus Haut, Sehnen und Muskeln besteht, die ersten Meter in der Wand. Unten ist der Felsen noch recht griffig und er rennt fast an ihm hoch, so wie unsereins mal eben schnell zum Supermarkt geht. Dann wird der Fels immer glatter und steiler. Alex zieht sich an Felsspalten hoch. Man sieht ihn ganz nah, hört sein Atmen und Stöhnen. Er schwitzt, greift hinter sich in ein kleines Behältnis mit Magnesium, das an seinen Hüften baumelt. Jetzt hängt er an einer Hand an der senkrechten Wand. Klammert sich mit den Fingern fest. Sein Arm muss ihn halten. Mir wird schwindlig. Immer weiter geht es in die Höhe. Und dann kommt es bald zum großen Showdown. Senkrecht ragt die Wand in die Höhe. Man fragt sich, wo Alex sich da eigentlich festhält. Das Blut gefriert in meinen Adern. Ich bekomme Schweißausbrüche. Mein Herz klopft zum Zerspringen. Alex kämpft sich Meter um Meter mühsam die Wand hinauf. Wenn die Kamera ihn von oben zeigt, wie er sich dicht am Felsen entlang hochzieht, unter ihm der bedrohliche Abgrund, kann ich kaum noch hinsehen. Es ist fürchterlich. Kaum auszuhalten. Kameraschwenk auf den Kameramann, der von unten filmt. Er kann auch nicht mehr hinsehen, hält sich die Hand an die Stirn, schüttelt den Kopf, hat Tränen in den Augen. Gleich kommt Alex an die Horrorstelle – das „Boulder-Problem“. Man hält es nicht mehr aus. Ich gucke weg. Nur kurz immer wieder doch hin. Will das nicht mehr sehen. Ich will nicht sehen, wie Alex in seinen Tod stürzt. Auch der Kameramann wendet sich ab. Überlässt die Kamera nun sich selbst. Auch er will nicht Zeuge des Todessturzes sein. Ich sehe kurz wieder hin. Und jetzt ist sie da – die Todesstelle – das „Boulder Problem“. Jetzt geht es um Leben oder Tod, diese Stelle könnte zum Sargnagel für Alex‘ noch so junges Leben werden….
Wie es ausgegangen ist, möchte ich nicht verraten. Seht es Euch an.
Diese Doku „Free Solo“ ist wirklich einer der packendsten und aufwühlendsten Filme, den ich jemals gesehen habe. Er gewann im Jahr 2019 auch den Oskar für den besten Dokumentarfilm. Zu Recht!
